Put on your high-heel sneakers, 'cos we're goin' out tonight .... Das ist schon ein Ohrwurm. Ich habe immer gedacht, dass dieser Song von Jerry Lee Lewis ist, denn er passt ja auch zu ihm, vor allem, wenn man weiß, dass er sich immer für ganz junge Mädchen interessiert hat. Tatsächlich aber stimmt das gar nicht, denn der Song wurde von dem Bluessänger Tommy Tucker 1964 geschrieben, es war sein einziger bemerkenswerter Hit. Mit mehr als 200 Versionen anderer Künstler_innen gehört er zu den am meisten gecoverten Songs in der Rockgeschichte.
Ich bin immer davon ausgegangen, es würde in diesem Song um eine typische Freitagabend-Situation gehen: Ein heterosexuelles Paar will ausgehen, und der Mann sagt seiner Freundin, sie solle sich mal schön anziehen, Highheels eben und das schöne rote Kleid. Ein genauerer Blick auf die Textzeilen offenbart aber einen ganz anderes Zusammenhang: Sie solle auch ihre Boxhandschuhe anziehen, für den Fall, dass ein Security-Typ eine Prügelei anfangen wolle. Und in der späteren Zeile heißt es, ich bin auch sicher, dass Du ihn tot prügelst. Ein militanter Song, also. Und auf der Original-Single von Tommy Tucker ist auch die Rede davon, dass sie ihr Geld wieder haben und er einen bezahlten Scheck in der Hand hält. Diese Strophe wird von allen Interpreten immer weg gelassen, vielleicht, weil sie so schlecht zu einer Party – Situation passt.
Besonders beeindruckend ist die Cover-Version von Janis Joplin, mehr aber noch die von Laura Nyro, vor allem, wenn man das wörtlich nimmt und sich wirklich vorstellt, dass da zwei Frauen losziehen, die im Zweifelsfall auch bereit sind, sich auf eine Schlägerei einzulassen. Ein echter Pussy-Riot eben. Ein Song, der Frauen gefallen sollte.
Berlin, 20.05.2012
Stefan Schneider
Abbildung: https://lh4.googleusercontent.com/-16d0QWY-CXQ/Tz3_hazdyzI/AAAAAAAAAS4/3AsckSGi9aM/s720/_DS29459.JPG
Studien. Wenn ich irgendwo unterwegs bin und da gibt es ein Wasser, dann gehe ich da hin. Besonders faszinierend sind schiffbare Gewässer, denn dort kann man Boote sehen. So ging es mir auch, als ich letztens in Barcelona war. Natürlich ist die Sagrada Familia toll, und auch das Museum von Miró, aber meistens war ich doch am Hafen und blickte sehnsüchtig auf die ein- und auslaufenden Fähren. Nur ein paar Stunden war es zu diesen spanischen Mittelmeerinsel. Schmerzhaft wurde mir bewusst, dass ich da noch nie war. Und noch ein bisschen peinlich ist es, dass ich die Kanaren und die Balearen immer wieder durcheinander bringe. Und waren die Malediven da nicht auch irgendwo? Und irgendwo ist da noch Mallorca mir dem Ballermann, aber da möchte ich nicht unbedingt hin, oder wenn, dann zu sozio-kulturellen Studien. Oder dann, wenn sonst keiner da ist, was aber wohl eher nicht vorkommen wird.
Erkundungen. Ganz anders ist das schon mit den Inseln westlich von Afrika. Ich merke mir, dass es sich hier um die Kanaren handelt und dass so ziemlich alle, die mit ihrem Segelboot nach Amerika oder in die Karibik segeln, hier festmachen, weil das so ziemlich die letzte Station vor dem Sprung über den großen Teich ist. Das allein wäre schon mal ein Grund, über günstige Reiseangebote für die Kanaren nachzudenken, um mir das mal vor Ort anzusehen. Also vor allem wegen der Schiffe und den Häfen. Aber auch, um mal in Ruhe arbeiten zu können. Denn neulich traf ich in Hamburg eine Bekannte, und die sagte mir, dass in Kürze ihr neues Buch auf den Markt käme. Und dass sie drei Monate auf den Kanaren verbracht hätte, um das in Ruhe fertig zu machen. Da ich auch schreibe und das in Ruhe machen möchte, wäre das möglicherweise auch eine Option für mich, mich mal auf 1a-reisemarkt.de umzusehen. Und da die Inseln gar nicht mal klein sind, gibt es auch jede Menge Sehenswürdigkeiten zu erkunden. Oder, um nach Spuren von Francisco Ascaso zu suchen. Viellleicht ist ja eine Kneipe nach ihm benannt.
Berlin, 18.05.2012
Stefan Schneider
Abbildung: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bahia_luz_las_palmas_1912_jordao_da_luz_perestello.jpg
Wir lebten zu viert in einer 54qm - Wohnung am Mariendorfer Damm und meine Eltern suchten in den Jahren 1972 und 1973 händeringend nach einer größeren Wohnung, die damals schwer zu bekommen war.
Eine Option war das Merkwürdige Viertel. Ich kann mich noch an Spaziergänge erinnern, wo es neben den großen strahlend weißen beeindruckend hohen Hochhäusern viele freie Sandflächen gab, weil noch keine Freiflächengestaltung erfolgt war, die ersten Straßen waren angelegt, aber die Spuren der Bauarbeiten waren noch überall sichtbar. Die angepflanzten Straßenbäume wirkten wie ein aussichtsloser Versuch, diese Wüste aus Sand und Beton irgendwie kaschieren zu wollen. Obwohl vom Märkischen Viertel es mein Vater nur eine Viertel Stunde bis zu seinem Arbeitsplatz bei Stahlaufzüge gehabt hätte und eine Wohnung zu diesem Zeitpunkt dort noch vergleichsweise einfach zu haben gewesen wäre, entschieden sich meine Eltern doch, nicht dort hin zu ziehen. Im Jahr 1974 gelang es meinen Eltern schließlich, eine größere 3-Zimmer- Wohnung in Mariendorf zu finden, gleich um die Ecke von unserem alten Wohnort, im Morsbronner Weg. Meine Mutter wohnt dort bis heute.
Als ich 1984 mein Studium der Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik an der TU-Berlin aufnahm, begegnete mir das Märkische Viertel erneut, diesmal als sozialer Brennpunkt. Da mich das damals nicht sonderlich interessierte, habe ich mir nur zwei Sachen gemerkt: Zum einen, dass es dort eine überdurchschnittlich hohe Selbstmordrate gab, was – so wurde das erklärt - darauf zurück zu führen war, dass diese Art von Architektur offenbar nicht menschengerecht war. Und zum anderen, dass es notwendig war, sozialpädagogische Angebote vor allem für Jugendliche zu errichten, denn es gäbe dort jede Menge soziale Probleme im Miteinander und vor allem keine sinnvollen Freizeitangebote, was ja irgendwie auch kein Wunder war, denn das Märkische Viertel war ja synthetisch am Reißbrett entstanden.
Wenn ich heute über mein Leben nachdenke, bin ich meinen Eltern ausgesprochen dankbar für ihre Entscheidung, denn ich wage nicht zu prognostizieren, was aus mir geworden wäre, wenn wir dort hin gezogen wären. Ich befürchte, ich hätte auch zu den Jugendlichen gehört, die dort mehr oder weniger frustriert über das soziale Nichts abgehangen haben. Drogen, Delikte, Devianz – sicher hätte ich kaum etwas ausgelassen, sicher hätte ich diese Perspektiven sehr gründlich verfolgt. Es sind eben auch die Verhältnisse, die die Persönlichkeit formen.
Siedlungen wie diese habe ich in meinem späteren Leben noch oft gesehen: In Ostberlin die Plattenbauten, in Warschau, in der Türkei, zuletzt hier in New York City. Inzwischen weiß ich ungefähr, was ich in meinem Leben will, so dass ich auch mit diesen Wohn- und Lebensstrukturen umgehen kann. Aber der Einfluss solcher Architekturen auf die Biografie von Menschen – das wäre sicher ein interessanter Forschungsgegenstand.
New York City, 06.05.2012
Stefan Schneider
Vom Nehmen, vom Geben und vom Teilen
– Perspektiven für eine Grundsicherung nach dem Ende des Geldes?
Stefan Schneider
Abstract für den 14. Kongress des Basic Income Earth Network 14. - 16. September 2012 im Wolf-Ferrari-Haus in Ottobrunn bei München
Parallel zu den Debatten um das Grundeinkommen erhalten Diskurse eine zunehmende Bedeutung, in denen eine völlig andere Form des Umgangs mit den Angelegenheiten der Daseinsvorsorge erscheint. Die Rede ist von sozialen (digitalen) Netzwerken, p2p – Produktionenweisen, von neuen Formen des Miteinanders. Auf materieller Ebene wird ein anderer Umgang mit den Sachen propagiert und erprobt: Im Mittelpunkt stehen nicht Finanzen, Werte und Geschäfte, sondern vielmehr neue kooperative Formen des Umgangs mit den Dingen: Die Rede ist vom Schenken, Tauschen und gemeinsamen Nutzen von Gebrauchsgütern. Auch auf der Ebene der Arbeit wird eine allen mögliche, selbstbestimmte und vernetzte neue Form des immateriellen Arbeitens als Perspektive der Arbeitsgesellschaft debattiert. In der theoretischen Konsequenz dieser Entwicklungen scheint der Verzicht auf die Geldwirtschaft möglich: Bürgerinnen nehmen sich was sie brauchen und haben gemeinsam auszuhandeln, wie das Gebrauchte, das Benötigte herzustellen sei.
In dem Vortrag/ Beitrag soll versucht werden, die wesentlichen Aspekte der Debatte um das Grundeinkommen, die Ermöglichung einer Grundsicherung, in Verbindung zu bringen mit aktuellen sozialwissenschaftlichen und sozialpolitischen Ideen um die Begriffe Multitude und Commons sowie den Debatten um die Chancen und Potentiale der digitalen (Welt-/Netz-)Gesellschaft. Bezug nehmend auf diese drei Strömungen soll in utopischer Perspektive gefragt werden nach den Chancen, Risiken und Grenzen einer Grundsicherung nach dem Ende des Geldes.
Abbildung: Brennholz für Kartoffelschalen Bildnachweis