Stefan Schneider - Wohnungslosigkeit und Subjektentwicklung

6. Das Feld

6.1. Bestimmung

Mit "Feld" kann Unterschiedliches gemeint sein. In seiner allgemeinsten Bedeutung ist damit eine geografische Fläche, ein Raum, ein Gebiet gemeint. In Ausdrücken wie "Feldforschung" ist "Feld" die Bezeichnung für die Umgebung oder den Lebensraum, in denen sich die vom Forscher zu untersuchenden Subjekte befinden. Damit wird abgehoben auf den Unterschied zum "Labor" und dessen künstlich produzierten Bedingungen. Die Forschung findet dort statt, wo sich die Wohnungslosen üblicherweise aufhalten, an den Orten und Räumen ihres Lebens, also im Rahmen einer bestehenden, zunächst vom Forscher nicht systematisch beeinflußten Umwelt.

Das hauptsächliche geografische "Feld", auf das sich die vorliegende Untersuchung bezieht, ist der Berliner Bezirk Tiergarten (insbesondere der Stadtteil Moabit) und die nähere Umgebung Tiergartens (vor allem in der Gegend um den Bahnhof Zoo und dem Hardenbergplatz, sowie die U-Bahnhöfe der Linie 9 (Turmstraße, Hansaplatz, Zoologischer Garten, Kurfürstendamm und Spichernstraße).

Gleichwohl ergaben sich im Zuge der Untersuchung eine Reihe weiterer Orte, an denen die Untersuchung praktisch durchgeführt wurde. Zusammen mit Personen der Untersuchungsgruppe oder aufgrund von Verabredungen mit ihnen oder Einladungen durch sie habe ich auch Orte außerhalb dieses Untersuchungsfeldes aufgesucht: Einrichtungen für Wohnungslose, vorrangig: Teestube Bismarkstraße in Charlottenburg, Wärmestube Schöneberg, "Am Wassertor" in Kreuzberg, Essensausgabe Wrangelstraße in Kreuzberg, Tee- und Wärmestube Neuköln, "Seelingtreff" in Charlottenburg. Auch durch vereinzelte Besuche in Unterkünften (Wohnprojekt Quitzowstraße in Moabit, Pension in Schöneberg, William-Both-Haus der Heilsarmee in Zehlendorf, Wohngemeinschaft der Berliner Stadtmission in Neuköln, Containerdorf in Berlin-Mitte usw.) oder Wohnungen (in Moabit) gehörten dazu.

Leitendes Kriterium der Untersuchung war, daß bei den Personen der Untersuchungsgruppe, zu dem Kontakt aufgenommen und kontinuierlich aufrechterhalten wurde, einen Bezug zum "Feld" (Bezirk Tiergarten, Stadtteil Moabit und nähere Umgebung) im weitestem Sinne vorlag. D.h., es wurde ein Spektrum an Personen erreicht, das gebürtige "Moabiter" ebenso umfaßt wie Personen, die derzeit dort ihre Unterkunft haben umfaßt bis hin zu Wohnungslosen, die nur Einrichtungen im Stadtteil oder Bekannte auf der Straße aufsuchen, deren Bezug zu Moabit eher lockerer Art ist. Damit sollte einerseits vermieden werden, die Untersuchung beliebig auf die ganze Stadt auszuweiten, andererseits war damit das Untersuchungsfeld relativ so weit gefaßt, daß die Durchführung teilnehmender Beobachtung auch außerhalb des oben beschriebenen Feldes fortgesetzt werden konnte.

Bevor ich meine tatsächliche Vorgehensweise in seinen einzelnen Schritten darstelle, ist noch einiges über den Stadtteil Moabit zu sagen, um zu verdeutlichen, auf welches konkrete (Um-)Feld ich mich - vor allem in der Anfangsphase meiner Forschung - beziehe.

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© Text und Gestaltung: Stefan Schneider (zosch@zedat.fu-berlin.de)
Fotos: Karin Powser - Logo: Willly Drucker
Letzte Änderung: 08.12.97