Stefan Schneider - Wohnungslosigkeit und Subjektentwicklung
 

ERNST

Perspektiven

Rente

Naja, das da mit dem Bein, das geht nicht mehr mit Arbeiten, da krieg ich Rente. Da geht's danach, wieviel Jahre ich gearbeitet habe. Die tun die Jahre verrechnen, da drei Jahre, da zwei Jahre, da vier Jahre, da beinander. Die rechnen die Jahre in Polen auch an.

Heimatbesuch

Ich will nicht zurück in die Heimat. Aber mal auf Besuch fahren. Seitdem ich rausgefahren bin, war ich nicht da. Ich wollte einmal mit meinem Patenonkel fahren, aber dann ist er gestorben. Naja, bis Warschau, dann mußt du umsteigen, und dann weiter. Oder über Posen. Die Schwester wohnt in Polen, in W. Da war ich schon lange Zeit nicht. Wir wollten mal fahren, da war ein Tag 30 Mark[9], das ist teuer.

Warmer Otto

Der Warme Otto ist heute zu. Heut ist zu. Die haben da was eine Versammlung, wegen was mit Wohnungen da. Heute ist zu. Ich gehe dann so ein bißchen rum, da in die U-Bahn hier so. Morgen ist wieder.

Na, ich werde jetzt auch rumlaufen, in die Markthalle noch ein bißchen, und ein Kaffee trinken noch...

ENDE

Nachtrag

Einige Tage nach unserem Gespräch treffe ich ERNST erneut in Begleitung eines Bekannten. Wir reden über 'dies und jenes', ERNST' Bekannter hat keine Wohnung und fragt mich, was er tun soll. Ich rate ihm, zur Beratungsstelle zu gehen und dort zu versuchen, erst einmal eine kurzfristige Unterkunft zu bekommen und dann auf dieser Basis weitere Schritte zu unternehmen. Ich bemerke seine Unsicherheit, schildere ihm in Einzelheiten, was auf ihn zukommt und schlage zum Schluß vor, er solle doch mit ERNST zusammen hingehen. ERNST' Bekannter antwortet darauf, das sei ja günstig, ERNST habe ja auch keine Bleibe und sei auch auf der Straße. ERNST erzählt, seine Frau sei die Mieterin der gemeinsamen Wohnung, und seit vergangenem Sommer sei er mehr oder weniger ausgesperrt und schlafe draußen.

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© Text und Gestaltung: Stefan Schneider (zosch@zedat.fu-berlin.de)
Fotos: Karin Powser - Logo: Willly Drucker
Letzte Änderung: 08.12.97