Stefan Schneider - Wohnungslosigkeit und Subjektentwicklung
 

MARTINA

Perspektiven

Ich möchte einen fahrbaren Untersatz, und dann raus aus Deutschland eigentlich. Also wie ich letztes Jahr so im Süden war. Im Süden geht es echt irgendwie lockerer ab, und es ist auch kein Problem: Dann machst du mal bei der Ernte irgendwie ein paar Wochen mit, dann hast du wieder Geld, dann fährst du wieder weiter. Ich habe das zwar nicht gemacht, als ich in Spanien war, aber ich hätte es machen können. Spanisch verstehe ich ein bißchen. Das kommt auch immer irgendwie, wenn ich in Spanien bin. Das denke ich mir eigentlich, das knallt, wenn ich so meine Zeit rumbringe.

Erstmal müßte ich ja wohl einen Führerschein machen. Ich mache den auch vielleicht. Das klingt zwar jetzt ein bißchen blöde, aber ich ziehe vielleicht wieder so zu meiner Mutter, sie wohnt in W.Stadt jetzt, und da gibt's auch total viele Jobs. Sie hat mir auch gesagt, sie zahlt mir was auf den Führerschein dazu, und ich jobbe ein bißchen, eine Zeit lang, weil mit Schnorren kriege ich meinen Führerschein nicht. Ich denke mir, in dem Sinn halt, daß ich dann nachher relativ frei bin. Ich weiß nicht, ob ich es packe. Es kann gut sein irgendwie, daß ich dann denke: Äh, und Tschüß jetzt! Aber das wäre echt das geilste, was ich mir vorstellen könnte.

Eine Ausbildung machen, da muß ich ein paar Jahre mir von irgendwelchen Leuten sagen lassen, was ich überhaupt nicht will. Das hat mich an der Schule auch schon immer angekotzt, daß ich etwas lernen sollte, was ich gar nicht brauche. Und ich glaube nicht, daß diese Welt noch lange steht. Also, die Welt schon noch vielleicht, aber die Menschen nicht mehr. Ich glaube, daß das ziemlich bald kracht da, und da sehe ich nicht ein, daß ich meine Zeit verschwenden soll, ich will einfach meinen Fun haben. Solange es noch geht. Ich möchte zum Beispiel nicht so werden wie die meisten anderen Leute. Für mich ist eigentlich Schleimen das Letzte, und darauf beruht ja unser ganzes System, aufs Schleimen eigentlich.

Wenn ich ehrlich bin, also auf eine Wohnung hätte ich zum Beispiel keinen Bock. So im Bauwagen ist es viel geiler. Was habe ich in einer Wohnung? Da wohnen nur Leute, wohnen nur Leute, du kannst, wenn mal eine Party ist, kannst nichts machen. Im Bauwagen, da kann ich aufstehen, wann ich Bock habe, und kann eine Party machen, Lagerfeuer, du kannst am Lagerfeuer was kochen, du mußt nur die Tür aufmachen, dann kann dein Hund raus, das ist einfach viel geiler. Das ist einfach viel freier im Bauwagen als in einem sterilen Haus, wo alles sauber ist, Wohnblocksilo. Wenn es mal im Bauwagen sauber ist, dann finde ich das in Ordnung, dann kann es von mir aus vor der Tür aussehen, dann kann sich der Dreck stapeln, solange es da einigermaßen sauber ist, wo ich schlafe und wo ich wohne. Vor allem wohne ich mit den Leuten zusammen, mit denen ich will.

ENDE

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© Text und Gestaltung: Stefan Schneider (zosch@zedat.fu-berlin.de)
Fotos: Karin Powser - Logo: Willly Drucker
Letzte Änderung: 08.12.97