Stefan Schneider - Wohnungslosigkeit und Subjektentwicklung
 

HANS

Perspektiven

Schulden tilgen

Da hat sich etliches angesammelt damals. Aber ich habe jetzt eine Hilfe durchs Gericht, ich habe damals ans Gericht geschrieben und an die Wohnungsgesellschaft, durch was es damals gekommen ist. Und da muß mir wahrscheinlich eine Hälfte der Mietschulden von 12.000 Mark das Sozialamt Wedding abnehmen. Das heißt, das Sozialamt Wedding muß dann wahrscheinlich 6.000 Mark bezahlen, und mir bleiben dann nur noch die anderen, keine 6.000 mehr, weil ich ja schon 1.500 damals abgedrückt hatte, das war, bevor sie mich da geschnappt haben, und ich bin dann bereit, den Restteil auch noch zu bezahlen. Ich kämpfe ja jetzt schon darum, daß ich ins ABM reinkomme, und daß ich, entweder Gartenbauamt oder in eine Försterei, egal wo, und dann noch denn mit dem Lohn hintereinander meine restlichen Schulden bezahle. Die Wohnungsgesellschaft hat ja schon damals den guten Willen gesehen, ich will bezahlen, und wenn ich jetzt sage: "Ich habe ABM!", dann machen sie nun folgendes, sie schicken mir keinen Gerichtsvollzieher zur Arbeit wegen Lohnpfändung, sondern indem ich mich bereit erkläre, monatlich, sagen wir mal, so 500 Mark weiterhin zu bezahlen, dann kriege ich keinen Gerichtsvollzieher. Der dann die Hälfte des Lohnes gleich einkassiert und mir die andere Hälfte lassen tut. So, ich kann dann in Ruhe durcharbeiten, denen bezahle ich 500 Mark weiterhin bis ich schuldenfrei bin, und habe dann meine Ruhe damit.

Arbeitssuche

Ich sehe mich nicht als Opfer, ich meine, ich sehe ja immer noch die Chance, daß ich Arbeit kriege. Also, es gibt noch die deutsche Knochenarbeit. Wir holen uns ja schon morgens um halb fünf die Zeitung, BZ. Früher schon, jetzt auch noch. Da rufen wir um sechs Uhr an. Was meinst du, was du für eine Antwort kriegst? - "Die Stelle ist schon besetzt!" Ob die wirklich besetzt ist, das weißt du nicht, das weiß ich auch nicht. So, und nun verballerst du jeden Tag sagen wir 5 Mark. Nur für Telefonieren, um einen Job zu kriegen. Die fünf Mark bist du los. Aber einen Job, den hast du immer noch nicht in der Tasche. Ich habe also im letzten Monat knappe 35 Mark vertelefoniert. Dann habe ich viel in Moabit schon abgegrast, Sickinger Straße, ich bin bis Turmstraße dann mit der U-Bahn gefahren, und den Rest dann zu Fuß durchgestiegen. Nichts zu machen. Nun war ich in Tempelhof[2] gewesen im letzten Jahr noch, bei Bahlsen, bei Gillette, bei Schwarzkopf und da herum alleine, dann bin ich von da aus runtergefahren nach Neukölln, was auch ein großer Industriebezirk ist, da war auch nichts zu machen. Wo soll man jetzt noch Arbeit suchen? Gerade jetzt, wo das Jahr anfangen tut, habe ich mir erhofft, daß jetzt irgendwas laufen tut, daß ich aus diesen Scheißämtern raus bin.

Ich war am Jahresanfang gleich früh mal hingefahren zu meinem Vermittler auf dem Arbeitsamt wegen Arbeit, und der sagt: "Jetzt im Januar läuft überhaupt nichts. Auch kein ABM, nichts. Weil das alte ABM vom letzten Jahr geht bis April noch, und da können wir erstmal keine Neuen hinschicken. Also vor Februar, März ist überhaupt nichts zu machen." Und ich habe gesagt: "Ich bin die Nummer eins, ich komme Ende Januar, Anfang Februar wieder, und dann setze ich mich hin." - Ja, ich will ABM haben. Daß ich endlich wieder eine Beschäftigung habe, aus der Pension raus bin und so, daß ich viel an der frischen Luft bin, und vor allen Dingen weit weg bin. Mal aus der Stadt raus, so in Außenbezirke, Gartenbauamt, Försterei oder irgendwas. Oder in eine Baumschule zum Beispiel, Gärtnerei. Ist ja auch weit außerhalb. Daß du aus dem Zentrum raus bist. Hier aus Moabit, Tiergarten, überhaupt so aus der ganzen Stadt mal rauskommen, so mehr ins Grüne reinkommen. Und wenn nachher so die ersten Sonnenstrahlen kommen, und du kannst die ganzen Klamotten weglassen, dann fühle ich mich viel wohler.

"Auf Brautschau gehen"

Aber ich werde bald mal wieder zusehen, daß ich gut besattelt bin. Ich werde mal wieder auf Brautschau gehen. Und dazu will ich aber Arbeit haben. Ich habe zwar eine Frau im Visier, die ich gerne heiraten möchte, und die quasi alles kennt von mir: Das ist nämlich meine ehemalige Sozialbearbeiterin. Und die ist ledig. Ich habe ihr schon mal Blumen geschenkt, einen Kasten Konfekt, eine Schachtel Zigaretten, und ich habe ihr einmal den Frisör spendiert. Das will was heißen! Ich komme mit dieser Person sehr gut aus. Das ist das komische dabei, weil die hat, sie lehrt Menschen-... Kenntnisse, ja. Also, die sieht dir an, ob du ein Säufer, ein Penner bist, oder ob du das nicht bist, ja. Und wie du mit deinem Geld umgehst und so. Weil, wenn ich da hin muß, ich geh immer zwei, drei Tage später hin, als wie daß ich dran bin.

Mit dieser Frau verstehe ich mich blendend. Und die ist ledig. Und ist so ungefähr, nicht ganz, 46 ist sie, also gerade zwei Jahre jünger als ich. Ich habe mir ihr schon einmal so, angedeutet und gesagt: "Sie sind meine, nicht Traumfrau oder was, sondern weil Sie so sympathisch sind, ich bin in Sie verliebt!" Und da hat sie nur gesagt, sie ist ledig. Ich sage: "Ich mag sie, man kann mit Ihnen gut reden hier und so. Wenn da oben mal irgendwas schief geht oder so, kann man mit Ihnen am besten drüber reden und alles." Naja, ich habe gesagt: "Ich bin in Sie verliebt!" - Da hat sie gesagt, sie ist ledig, na bitteschön! Ich sage: "Naja!", sag' ich, "Muß ja erstmal wieder richtig der Reihe sein, brauch' Arbeit, Geld, Klamotten, ein paar." Da hat sie mir nahelegt, da hat sie gesagt: "Sagen Sie mal, wann wollen sie denn überhaupt mal nen Bekleidungsantrag stellen?" Ich sage: "Warum?" - "Sie haben ja noch nie einen gestellt." Ich sage: "Nee, ich bin immer mit dem Sozi-Geld hingekommen." - Da mal eine Hose, da mal ein paar Schuhe, da mal ein Hemd, wo es billig ist, das so 20 Mark kostet oder was.

Wohnungssuche

Im Grunde genommen, in der S.Wärmestube zum Beispiel, oder auch hier, ich bin mit Leuten zusammen, die entweder auch eine Pension haben, oder eben noch ihre eigene Wohnung haben, aber vom Sozialamt oder vom Arbeitsamt ihr Geld bekommen. Und es gibt ja da oben noch eine ehemalige Pastorin, die dir ja auch helfen tut zu einer Wohnung im Bereich Neukölln bis ran an Kreuzberg oder bis ran an Britz. So eine Beziehung hat die Pastorin dort oben durch ihre große Gemeinde. Obwohl sie versetzt wurde nach Frohnau, aber trotzdem noch in Neukölln tätig ist. Und sie hilft dir wirklich. Wenn sie sagt, sie hat eine Wohnung, dann hat das Ding Hand und Fuß. Ich habe mich ja mit ihr mal intensiv unterhalten über alles, und da hat sie gesagt, wenn sie mal wieder hört, wo eine Wohnung frei ist, daß einer verstorben ist, und es sollte eine 1-Zimmer-Wohnung sein, dann ruft sie mich an, dann treffen wir uns, und dann fahren wir gemeinsam dorthin. Deswegen habe ich schon immer Geld zu Hause zu liegen, versteckt natürlich, daß ich gleich die Miete abdrücken kann.


Teestube: "nicht wegen dem Kuchenfressen"

Daß ich wieder richtig den Mietvertrag habe, und daß ich sagen kann, die ist mein Eigentum. Deswegen fahre ich da gerne hin, nicht wegen dem Kuchenfressen und dem Teesaufen, sondern den Kontakt aufrecht halten. Die macht mehr als die Levetzowstraße. Die sitzen da wie auf'm Sozi: "Na, was willst du? Wenn du eine Wohnung haben willst, mußt du zum Wohnungsprojekt kommen, dann hast du den Wohnungsschlüssel und wir kontrollieren deine Wohnung." Das heißt, die gehen in deine Wohnung rein und wenn dir was fehlen tut, dann kannst du ihm ja nicht beweisen, daß er dir das geklaut hat. Und schon gehen die Reibereien los. Und das ist nicht gerade meine Kragenweite. Entweder es ist meine Wohnung, ich bezahle meine Miete, meinen Strom, meinen Rundfunk, und ich habe nur die Schlüssel für mich alleine. Nicht, daß die noch ein anderer hat, der dann nachgucken kommt, wie meine Wohnung aussieht.

Ich habe jetzt immer angerufen bei der Wohnungsgesellschaft und auch schon mal mit der betreffenden Person gesprochen, im Augenblick sieht es natürlich sehr sehr hart aus, gerade 'ne 1-Zimmer-Wohnung mit einer Kochnische drin, aber solche Wohnungen sind rar geworden.

ENDE

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© Text und Gestaltung: Stefan Schneider (zosch@zedat.fu-berlin.de)
Fotos: Karin Powser - Logo: Willly Drucker
Letzte Änderung: 08.12.97