Foto: Little Corn Island 2005, Quelle: WikiCommons, Autor: Jagal[Pläne] Zu den Dingen, die ich in Nicaragua – neben dem solidarischen Arbeitseinsatz bei der Kaffeeernte – unbedingt tun wollte, gehörte eine ausführliche Reise durch das Land: Sehen wollte ich unter anderem Solentiname, jenen Insel-Archipel auf dem Nicaragua See, wo das Evangelium der Bauern von Solentiname entstanden ist, von dem der Theologe, Dichter und Revolutionär Ernesto Cardenal geschrieben hat. Ich wollte aber auch nach Corn Island, den beiden Karibik-Inseln an der Westküste, allein um zu sehen, wie es da aussieht. Schon die Anreise dorthin war abenteuerlich. In einem total überfüllten Bus, der mir kaum Luft zum atmen lies, ging es nach Rama, und von dort aus sollte am nächsten Tag ein Schiff den Fluss runter nach Bluefields fahren. Und die Überfahrt am dritten Tag zu den Inseln auf einem rostigen alten Fischkutter war ein permanenter Kampf mit den ungestümen Wellen und der Seekrankheit.

[Ereignisse] Die Tage, die ich auf Corn Island verbrachte, gehörten zu den Besten der ganzen Reise. Zum einen fühlte ich mich dort sehr wohl, weil fast alle englisch sprachen. Ich konnte mich erstmalig auf der Reise wirklich mit den Menschen unterhalten. Und auf Corn Island war es wirklich paradiesisch: Strände, Palmen, Sonnenschein, an jeder Ecke eine Bar, Rum, Musik und Langusten in allen Variationen: Gekocht, gegrillt, gebraten .... Auf einer meiner abendlichen Touren war ich bei Myers in North End, einer Bar direkt am Stand, ganz schön versackt, fand den Weg nach Hause nicht mehr und und legte mich irgendwo auf die Wiese zum Schlafen. Dabei gab es im Grunde auf der Insel nur eine einzige Straße und die verlief mit einigen Schlenkern mehr oder weniger in Ufernähe. Als ich am nächsten morgen von den Strahlen der Mittagssonne wach wurde, hatte sich das schon auf der ganzen Insel herumgesprochen. Myers bot mir daraufhin seine Gästewohnung an, die in Sichtweite der Bar lag, damit ich nicht mehr so weit laufen musste. An den nächsten Tagen lernte ich alle seine Freunde kennen und einer wollte mich sogar mit seiner Tochter verheiraten. Die war auch sehr schön, aber ein bisschen zu jung für mich, deshalb lehnte ich doch ab. Alternativ dazu wurde mir angeboten, beim Langustenfang einzusteigen. Sie sagten, ein Tag Arbeit pro Woche würde locker reichen, um davon gut leben zu können. Aber die in Streifen geschnittenen Kuhhäute, die für den Fang als Köder verwendet wurden, stanken wirklich bestialisch, so dass ich darauf keine Lust hatte. Statt dessen entdeckte ich ein altes, verfallenes Kino aus besseren Zeiten und träumte davon, das wieder zu eröffnen mit Filmen, die ich aus Deutschland einfliegen lassen wollte. Dann traf ein Schiff voller Bier vom Festland auf der Insel ein. Das war bemerkenswert. Plötzlich stieg die ganze Insel von Rum auf Bier um. Eines Tages wollten sie mir etwas ganz besonderes zeigen. Wir fuhren mit einem Jeep zur Mitte der Insel und dort entdeckte ich eine Hanfplantage, die wirklich riesig war. Natürlich mussten wir das Zeug auch testen. Als es Abend wurde und die Moskitos kamen, zündete einer ein Feuer an, denn der Rauch sollte die Biester vertreiben. Das gelang aber nur teilweise. Am Strand selbst gab es kaum Moskitos, aber im inneren der Insel schon. Und wir waren alle ziemlich stoned an diesem Abend.

[Rückkehr] Nach wenigen Tagen wurde das Bier auf der Insel knapp und ich musste weite Wege laufen, um noch irgendwo was zu ergattern. Betrübt kam ich abends zu Myers und bestellte eine Flasche Rum. Myers lachte über beide Ohren und sagte: Heute Abend gibt es eine kleine Party hier. Ich habe nämlich die letzten zwei Kästen Bier, die es auf der Insel gibt, und die trinken wir heute Abend aus. So war es dann auch. Zu Corn Island gäbe es noch sehr viel mehr zu erzählen. Auch die Rückreise war ein einziges Drama, weil wegen Sturm kein Boot mehr fuhr. Mit Mühe und Not habe ich es trotzdem geschafft, nach Hause zu kommen über Havanna, Halifax, Prag und Berlin (Hauptstadt der DDR) nach Westberlin. Wenige Jahre nach meinem Aufenthalt verwüstete ein Hurrikan fast die gesamte Insel, und alles musste neu aufgebaut werden. Zu Schaden ist keiner gekommen, weil die sandinistische Regierung gute Evakuierungspläne ausgearbeitet hatte. Und in mancher Stunde träume ich davon, wieder einmal dorthin zurückzukehren, um zu sehen, was sich dort verändert hat. Moskitos wird es dort bestimmt immer noch geben, aber sicher auch das eine oder andere Hotel, dass Fenster mit VELUX Insektenschutz bietet, um ungestört den Sonnenauf- oder -untergang genießen zu können.

Berlin, 18.07.2013

Stefan Schneider

[Abbildung] Little Corn Island 2005, Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Little_Corn_Island.JPG, Autor: Jagal 

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