Auf dem Weg zu einer Selbstvertretung Wohnungsloser - Erfahrungen, Aufgaben und neue Anforderungen an die Soziale Arbeit

Don't Just Vote - Schriftzug an einer Wand - Quelle: WikiCommonsPanel für die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit    (DGSA) am 27./28.    April 2018, Hamburg – Demokratie und Soziale Arbeit – Teilhabe, Solidarität und bürgerschaftliche Identifikation in einer pluralen Gesellschaft

Abstract

Im Unterschied zu anderen Feldern der Sozialen Arbeit gibt es in der Wohnungslosenhilfe nur spärliche Ansätze einer Selbstvertretung und(oder -organisation. In diesem Panel wird die neuere Geschichte, eine „Betroffenenvertretung“ wohnungsloser Menschen aufzubauen, (selbst-)kritisch beleuchtet, von der Bundesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen (BBI), über das Berber-Info und das Armutsnetzwerk (ANW) bis hin zum laufenden Projekt Wohnungslosentreffen. Zentraler Aspekt soll die Diskussion darüber sein, wie die Soziale Arbeit (Wissenschaft und Akteure) unterstützend wirken kann, welche (neuen) Konzepte und Methoden Erfolg versprechend sind und weiter verfolgt werden (sollen).

  • Corinna Lenhart, Vorsitzende Bundesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen (BBI), Pforzheim:
    Die Geschichte der Bundesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen (BBI): Erfahrungen, Erfolge, Probleme, Konflikt
  • Jürgen Schneider, Gründer Berber-Info, Gründer Armutsnetzwerk e.V., Organisationsteam Projekt Wohnungslosentreffen, Sulingen:
    Berber-Info, Armutsnetzwerk, Sommercamps - Schritte auf dem Weg zu einer Selbstvertretung Wohnungsloser
  • Dr. Stefan Schneider: Europa-Institut für Sozialwissenschaften & Partizipation (EISOP), Berlin:
    Aufbau und Unterstützung einer Selbstvertretung Wohnungsloser: Neue Anforderungen für die Soziale Arbeit
  • Moderation:
    Prof. Dr. Benjamin Benz, Evangelische Fachhochschule Reinland-Westfalen-Lippe, Bochum

Verantwortlich:
Dr. Stefan Schneider, Berlin Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.; Mobil: +49 - 177 – 784 73 37
Europa-Institut für Sozialwissenschaften & Partizipation (EISOP)


Corinna Lenhardt, Pforzheim: Die Geschichte der Bundesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen (BBI): Erfahrungen, Erfolge, Probleme, Konflikte (15 Minuten)

LANGFASSUNG
Die BBI gründete sich in den 1990er Jahren als Versuch von wohnungslosen Menschen in der Bundesrepublik systematisch zu beginnen, ihre Interessen selbst zu formulieren und zu artikulieren. Sie versteht sich als Lobby, die sich für strukturelle Verbesserungen in der Wohnungslosenhilfe, für gesellschaftliche Durchsetzung sozialer Gerechtigkeit, für die Umsetzung von Menschenrechten, für den Ausbau zivilgesellschaftlicher Partizipation einsetzt.
Partizipation betrifft alle Ebenen des Alltags, der Organisationen, der Strukturen, von Konzeptionen. Es bedeutet auch, dass Macht von der Profession an die Basis abgegeben wird.  Die „Kultur des  Umgangs und der Haltung“ sind wichtige Voraussetzungen, dass wohnungslose Menschen gleichberechtigte Partner und Experten ihrer eigenen Lebenswelt werden und setzt einen Dialog des gemeinsamen Austausches voraus, um durch eigene Lobbyarbeit gegen Armut, Erwerbslosigkeit, Ignoranz und Ausgrenzung zu kämpfen.
Zur BBI gehören sehr viele Freundschaften, Kontakte und Solidaritäten unter Betroffenen, Profis und Projekten im In- und Ausland.
Diese Kontakte mussten, mit Hilfe verschiedener Einrichtungen, sehr mühsam aufgebaut werden, weil wohnungslose Menschen in der Regel über kein soziales Netzwerk und Kontakte nach außen verfügen. Damit Wohnungslose an Treffen, Kampagnen, Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen teilnehmen konnten bedurfte es finanzieller Mittel, die von den Betroffenen selbst nicht aufgebracht werden konnten.
Aber die BBI hat ein sehr kritisches Verhältnis zu Wohlfahrtsverbänden.  Einerseits hat die BBI ein partnerschaftliches Verhältnis zu Verbänden, auf der anderen Seite wird deutlich, dass vieles nicht zusammenlaufen kann. Auf der trinationalen Karawane gegen Armut und Ausgrenzung im Mai 2010, erlebte  man wie Basisorganisation und Wohlfahrt ganz schnell aneinander geraten. Es gab auch immer wieder Konflikte zwischen BBI und BAG, die deutlich machten und machen, dass es den Verbänden nicht um Demokratie und Zusammenarbeit geht, sondern vielfach um Macht.

KURZFASSUNG
Die BBI gründete sich in den 1990er Jahren als Versuch von wohnungslosen Menschen, ihre Interessen selbst zu artikulieren.  Die „Kultur des  Umgangs und der Haltung“ sind wichtige Voraussetzungen, dass wohnungslose Menschen gleichberechtigte Partner werden und setzt einen Dialog voraus. Einerseits hat die BBI ein partnerschaftliches Verhältnis zu Verbänden, auf der anderen Seite wird deutlich, dass vieles nicht zusammenlaufen kann. Es gab auch immer wieder Konflikte,die deutlich machen und machen, dass es den Verbänden nicht um Demokratie und Zusammenarbeit geht, sondern vielfach um Macht.


Jürgen Schneider, Sulingen: Berber-Info, Armutsnetzwerk, Sommercamps - Schritte auf dem Weg zu einer Selbstvertretung Wohnungsloser (15 Minuten)
LANGFASSUNG
Die Idee zum Berber-Info entstammt einer Broschüre in Niedersachsen, die Informationen für obdachlose Menschen bereitstellte. Nachdem diese Broschüre eingestellt wurde, entstand im Jahr 2006 die Idee, eine Webseite einzurichten, um die Informationen digital bereit zu stellen. Das Berber-Info verstand sich als unabhängiges Informationsportal für Wohnungslose im deutschsprachigen Raum. „Berber“ ist dabei die gelegentlich verwendete Selbstbezeichnung einer sozial organisierten Teilgruppe Wohnungsloser. Der Aufbau der Webseite gelang nur aufgrund der Unterstützung durch Akteure der Soziale Arbeit, vorrangig in Niedersachsen. In unterschiedlichen Zusammenhängen wurde dieses Projekt kommuniziert und bildete die Basis für eine Vereinsgründung.  Das aus dem Berber-Info hervorgegangene Armutsnetzwerk e.V. (ANW), ein gemeinnütziger Verein, versteht sich als ein Zusammenschluss von wohnungslosen und ehemals wohnungslosen Menschen sowie Menschen mit Armutserfahrungen, Initiativen, Organisationen und Personen, die sich dem Kampf gegen Armut und Ausgrenzung gewidmet haben. Das Armutsnetzwerk wurde 2012 in Niedersachsen gegründet. Schon bald konnte eine Mitgliedschaft in der Nationalen Armutskonferenz erreicht werden. Parallel dazu gab es Bemühungen, die Teilhabe und Selbstorganisation wohnungsloser Menschen zu verbessern und ein Projekt zu konzipieren, das sehr viel deutlicher an der Lebenssituation wohnungsloser Menschen anschließt: Die Idee von Wohnungslosentreffen (Sommercamps). Von Anfang an war klar, dass ein Projekt in dieser Größenordnung nur zusammen mit Profis gelingen kann und nicht selbst durchgeführt werden soll.
Insgesamt geht es in diesem Vortrag darum, zu beleuchten, was von den sog. „Betroffenen“ selbst auf die Beine gestellt gestellt worden ist, wo eine Zusammenarbeit mit den Profis hilfreich und notwendig war und ist, worin typische Gefahren liegen und worin die Chancen und Grenzen dieser Kooperation bestehen.
KURZFASSUNG
Das Berber-Info, ein Informationsportal für Wohnungslose, das Armutsnetzwerk, ein Verein von wohnungslosen und Menschen mit Armutsverfahrungen und das 2016 gestartete Projekt „Wohnungslosentreffen“ sind Versuche, wohnungslosen Menschen insgesamt mehr Gehör zu verschaffen. In diesem Vortrag soll aus Perspektive eines Akteurs beleuchtet werden, was von „Betroffenen“ selbst auf die Beine gestellt gestellt werden kann, wo eine Zusammenarbeit mit den Profis  hilfreich und notwendig ist und worin typische Gefahren liegen und worin die Chancen und Grenzen dieser Kooperation bestehen.


Dr. Stefan Schneider: Aufbau und Unterstützung einer Selbstvertretung Wohnungsloser: Neue Anforderungen für die Soziale Arbeit
LANGFASSUNG
Partizipation und Hilfe zur Selbsthilfe sind zwei Konzepte der Sozialen Arbeit, die methodisch wenig hinterlegt und insbesondere im Kontext der Praxis der Wohnungslosenhilfe wenig entwickelt sind. Aber was genau braucht es, um beides auf dem Weg zu bringen? Das von einem hybriden Team angeschobene Projekt „Förderung von Teilhabe und Selbstorganisation wohnungsloser Menschen in Niedersachsen (Empowerment, Community Organizing, Sommercamps, Verstetigung)“ bekannt geworden unter den Stichworten „Wohnungslosentreffen“ bzw. „Sommercamps“ versucht hier neue Wege zu gehen und neue Formate zu schaffen.
Die Idee eigener Treffen schafft einen neuen Raum, der nicht von Ignoranz und Diskriminierung, Ablehnung und Verachtung geprägt ist, aber auch nicht den klassischen Angebotsformen der Wohnungslosenhilfe entspricht. Dieser Raum ist geeignet, Anerkennung, Respekt, Gespräche, Austausch, Kennenlernen, Diskussionen zu ermöglichen. Arme und in der Regel mittellose Menschen, deren Lebensmittelpunkt die Straße, die Anlaufstelle oder die Einrichtung ist, können erreicht und zur Teilnahme motiviert werden. Es ist zu kommunizieren, dass Anreise- Unterkunft und Verpflegung sicher gestellt und kostenfrei sind, das es zum Ziele und Inhalte geht und nicht um eine Ferienfreizeit. In dem ergebnisoffenen Projekt hat sich als zentrales Ziel die Absicht, eine Selbstvertretung wohnungsloser Menschen aufzubauen, herauskristallisiert.
Verschiedene methodische Konzepte und Elemente aus der klassischen Gruppenarbeit, dem Team-Building, dem Empowerment-Ansatz, dem Assistenz-Konzept der Behindertenhilfe, des Thinking Circle, des Community Organzing werden angewendet und wirken zusammen. Es werden eigene Plattformen („Vollversammlung“ - Wohnungslosentreffen, Koordinierungstreffen) und Kommunikations- und Netzwerkstrukturen (email-Verteiler, Internetforum) geschaffen. Regionale und themenorientierte Gruppe sind am entstehen (Mutterschiff, Frauengruppe); hinzu kommen eine Vielzahl an Veranstaltungsteilnahmen, Aktionen und eignen Projekte und Initiativen. Der Vortrag beleuchtet vor allem die methodischen Elemente, die zur Anwendung kommen und versucht zu skizzieren, welche Anforderungen damit auf die Soziale Arbeit zu kommen, wenn sie diesen Prozeß nachhaltig unterstützen will.

KURZFASSUNG
In dem ergebnisoffenen Projekt Wohnungslosentreffen hat sich als zentrales Ziel die Absicht, eine Selbstvertretung wohnungsloser Menschen aufzubauen, herauskristallisiert. Verschiedene methodische Konzepte und Elemente aus der klassischen Gruppenarbeit, dem Team-Building, dem Empowerment-Ansatz, dem Assistenz-Konzept der Behindertenhilfe, des Thinking Circle, des Community Organzing werden angewendet und wirken zusammen. Der Vortrag beleuchtet vor allem die methodischen Elemente, die zur Anwendung kommen und versucht zu skizzieren, welche Anforderungen damit auf die Soziale Arbeit zu kommen.

Abbildung:  https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Don%27t_Just_Vote.jpg:Don%27t_Just_Vote.jpg

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