Um klären zu können, ob immaterielle Arbeit eine Perspektive 'Guter Arbeit' darstellen kann, sind zunächst einige Kontexte zu formulieren, damitaus denen heraus verständlich wird, aus welcher Perspektive eine Annäherung an diese Frage erfolgt. Im zweiten Teil werden einige Dimensionen der immateriellen Arbeit anhand konkreter Projekte vorgestellt und diskutiert.

TEIL EINS

Eins. Die Dritte Schöpfungsgeschichte.

schopfung-und-die-vertreibung-aus-dem-paradies-giovanni-di-paolo-1445Einigermaßen versteckt finden wir in der Genesis noch eine dritte Schöpfungsgeschichte. Es ist die  Sequenz, die als die Vertreibung aus dem Paradies beschrieben wird. In der Regel wird diese Vertreibung als Katastrophe verstanden, was sie, gemessen an dem vorher beschriebenen Leben im Paradies, sicher auch war. Sehen wir und diese Sequenz aber genauer an, entdecken wir eine ganz andere Perspektive. Gott sagt: Im Schweiße deines Angesichts / sollst du dein Brot essen, / bis du zurückkehrst zum Ackerboden. (Gen 3,19).

Betrachten wir diese Aussage ganz unvoreingenommen, sehen wir, der Gedanke der Evolution ist hier angesprochen (wer zurückkehrt vom Ackerboden wird von dort auch entstanden sein), und die Arbeit oder genauer, die Verausgabung von Arbeitskraft – "Schweiß" – ist das eigentliche Moment, das Brot erzeugt und  den Menschen erst Menschen sein lässt. Der Zusammenhang von Produktion und Reproduktion wird hier genannt. Und schon wenige Sätze später lesen wir: Dann sprach Gott, der Herr: Seht, der Mensch ist geworden wie wir; er erkennt Gut und Böse. (Gen 3,22). Auch hier, ganz unvoreingenommen, können wir sehen: Erst der arbeitende Mensch wird von Gott akzeptiert und als ebenbürtig anerkannt, denn er ist in der Lage, zu differenzieren, Gut und Böse zu unterschieden. Es liegt auf der Hand, woher diese Gabe kommt. Sie ist ein Resultat der Arbeit.

Mit anderen Worten: Bereits in der Genesis finden wir einen Hinweis darauf, dass Arbeit das entscheidende Moment der Menschwerdung darstellt und dass in diesem Prozess der Arbeit etwas enthalten ist, das darüber hinaus weist und mit ihr untrennbar verbunden ist. Die Fähigkeit, Dinge zu beurteilen, Dinge zu bewerten, unterscheiden zu können. Ein erster Bezugspunkt zu dem Gegenstand Immaterielle Arbeit.

Zwei. Den neuen Menschen schaffen.

die allseitig entwickelte persönlichkeitGut zweieinhalb tausend Jahre haben sich Andere erneut mit der Idee der Schöpfung des Menschen durch Arbeit auseinander gesetzt. Nach dem Sieg der Oktoberrevolution 1917 war bald eine ganze Hemisphäre damit befasst, den neuen Menschen, die allseits entwickelte sozialistische Persönlichkeit schmieden zu wollen. Dass das ohne Freiheit und mit einer Diktatur nicht funktionieren kann, war einer der Gründe für den Niedergang dieser Ordnung. Das soll an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden, aber wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass auf Grundlage der Klassiker MARX und ENGELS und dem Konzept des dialektischen Materialismus eine Wissenschaftstradition entstand, die als kulturhistorische Schule bekannt wurde und zu einigem Einfluss gelangte. Ausgehend von den Überlegungen  Lew WYGOTSKYs zu den Kontexten von Denken und Sprechen war es insbesondere Alexei Nikolajewitsch LEONTJEW, der die sogenannte Tätigkeitstheorie entwickelte. Tätigkeit, und dann auch Arbeit, wird hier als zentrale Kategorie verstanden, aus der heraus Sprache und Denken, Bewusstsein und Persönlichkeit hervorgehen. Diese kann nur gesellschaftlich und konkret gedacht werden. Klaus HOLZKAMP hat dieses Konzept in der Bundesrepublik Deutschland aufgegriffen und als Kritische Psychologie weiter entwickelt und auf die kapitalistische Gesellschaftsformation anzuwenden versucht. Mit seiner zentralen Kategorie der Handlungsfähigkeit ist er nicht nur in der Lage, Schranken und Grenzen dieser zu formulieren, sondern die besondere Leistungsfähigkeit dieses Konzepts besteht darin, die gesellschaftlichen Verursachungsmechanismen (Ausbeutung, Entfremdung) bewußt zu reflektieren und zugleich auch Strategien zu formulieren (Aneignung), um die Handlungsfähigkeit erweitern zu können. Die Wiederaneignung von Begriffen ("wer ist hier eigentlich der Arbeitsgeber?") ist dabei ein wichtiges Element im umkämpften Sinn- und Bedeutungkontext – eine zentrale Voraussetzung der (Wieder-)Aneignung der gegenständlichen Welt. Auch dies sind wichtige Hinweise auf die zentrale Bedeutung von immateriellen Elementen der Arbeit, die ihr – folgt man diesen Konzepten – offensichtlich inhärent sind.

Drei. Kapitalismus ist, weil wir ihn machen.

In den 1960er Jahren sind es die Operatisten in Italien, die als unkonventionelle, undogmatische Linke der Kapitalismuskritik eine völlig neue überraschende Wende geben. Kapitalismus, so sagen sie, ist nicht ein monolithischer, erdrückender Block eines geronnenen Klassengegensatzes, eine alles beherrschende, scheinbar unüberwindlich Struktur, ein festgefahrenes Produktionsverhältnis. Nein, sagen die Operaisten um Toni NEGRI, Kapitalismus entsteht, weil wir ihn jeden Tag in unserem Alltagshandeln neu entstehen lassen. Wir stellen die Wecker zur einer Unzeit, rasen zum Ausbeutungsplatz, verausgaben uns dort an den Maschinen und bedanken uns für das schlechte Geld, mit dem wir anstandslos die überhöhten Preise der Waren bezahlen. Lasst uns ausschlafen, selbst bestimmen, wie und wann wir was arbeiten möchten und uns aus dem Läden ohne zu bezahlen das herausholen, was wir brauchen, so die kurze und knappe Botschaft der operaistisch motivierten Aktivisten. Selbstverständlich wurde diese Bewegung schnell kriminalisiert und schlussendlich 1977 zerschlagen. Nichtsdestotrotz markiert der Ansatz der Operaisten einen theoretischen  aber auch konkreten Ausstiegspunkt aus bestehenden Verhältnissen (statt sie immanent ändern zu wollen) und wurde in den Sozialwissenschaften auch nachhaltig aufgegriffen, etwa in den Arbeiten Judith BUTLERS zur Konstruktion der Geschlechter oder den Arbeiten von Michel Foucault zu den Mechanismen von Herrschaft. Der systematische Bezugspunkt zur Idee der immateriellen Arbeit besteht hier in der Idee, Arbeit nicht als fremdbestimmte Pflicht, sondern als sebstbestimmten Möglichkeitsraum zu begreifen.

Vier. Null und Eins. Die global vernetzte programmierbare Maschine.

Konrad Zuse - Quelle: WikiCommonsEs ist eben dieser Toni NEGRI und mit ihm der Amerikaner Michael HARDT, die in späteren Arbeiten aus der Analyse der aktuellen Entwicklung der kapitalistischen Formation ("Empire") und dem Begriff der "Multitude" als der neuen "Klasse" die immaterielle Arbeit als das neue, von allen nutzbare Feld des Klassenkampfes ausmachen. Sie können das aufgrund einer neuen Qualität in den Produktionsverhältnissen. Während der alte Automat, die programmierte Maschine der TAYLORschen Fließbandgesellschaft immer nur das selbe konnte, schafft Konrad ZUSE bereits in den 30er Jahren eine Maschine, die programmierbar ist und als solche alles das, was Maschinen können und jemals können werden, auszuführen in der Lage ist. Die Reduktion von Arbeitsaufgaben durch die Beschreibung mit den Zeichen 0 und 1 ist die vielleicht letzte und radikalste Abstraktion von der Arbeit, und macht zugleich deren maschinelle Verarbeitung erst möglich. Der gesellschaftliche Durchbruch gelingt mit der weltweiten Vernetzung dieser Maschinen und wird alltagstauglich mit der Erfindung des Hypertextes als der Grundidee des world wide web. Seit dem findet Arbeit nicht mehr in der Fabrik an der Maschine statt, sondern dort, wo Menschen vor Rechnern sitzen. Und weil (fast) alle auf der Welt genau diese Möglichkeiten haben, ist die immaterielle, am Rechner stattfindende Arbeit das neue Kampffeld um eine bessere Zukunft, so HARDT und NEGRI. Jenseits dieser möglichen politischen Implikation bleibt aber festzuhalten, dass sich jeder Mensch dieses Instrument zu seinem eigenen machen kann. Der Rechner und seine Vernetzung verschiebt und verändert die globalen Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse und verlagert den Arbeitsprozess zu großen Teilen in die Lebenswelt einzelnen Subjekte hinein.

TEIL ZWEI

Im Folgenden möchte ich anhand einiger ausgewählter konkreter empirischer Befunde der immateriellen Arbeit annähern und daran anschließend eine erste Sichtung von Umfang, Intensität, Wirkungen vornehmen und zugleich erörtern, welche gesellschaftlichen Sphären davon betroffen sind.

Eins. www.wikipedia.org

Wikipedia - LogoObwohl aus vielen guten Gründen durchaus umstritten, ist Wikipedia unbestritten die mächtigste Enzyklopädie der Welt; wer sich über einen Sachverhalt informieren will und dies nicht über die unmittelbare Webseite des Gegenstands kann oder will, findet hier einen ersten Einstieg und in der Regel weiterführende Quellen. In Wikipedia steht, was ist, auch wenn es nicht ganz richtig ist. Millionen Menschen editieren diese immaterielle Realität. Wikipedia ist ein kollektives textdominiertes Orientierungswerkzeug.

Zwei. www.creativecommons.org

Creative Commons LogoImmer mehr Menschen stellen die Resultate ihrer Arbeit, Texte, Bilder, Filme, Programme, Software usw. in das Internet. Sie haben weder die Absicht noch das Interesse, es für sich behalten und schützen zu wollen, sondern fordern vielmehr dazu auf, es zu kommentieren, zu bewerten, zu kopieren bzw. zu verbreiten, es zu verbessern, zu verändern, weiter zu entwickeln. Die Motive sind dafür unterschiedlich, aber in der Regel ist die Erwartung eines Mehrwerts damit verbunden, nur, dass dieser Mehrwert nicht in Geld besteht, sondern beispielsweise in Reputation und Anerkennung.

Drei. p2p - peer to peer, z.B. www.utorrent.com

Ich teile, was ich habe, und erhalte von anderen, was sie haben. Auf dieser Ebene einer unmittelbaren Vernetzung von Rechner zu Rechner werden völlig neue Verteilungswege geschaffen, gegenwärtig auf den sogenannten Tauschbörsen wie thepiratebay.org und anderen, vorrangig für Filme, Musik, Hörbücher, Digitale Bücher, Spiele, Software usw. Dies führt nicht nur zu einer Erosion der gesamten bisherigen Unterhaltungsindustrie, sondern ist zugleich auch ein Raum, in dem Minderheiten- und Spezialistengenres einen legitimen Platz finden können.

Vier. www.wikiliaks.org

Wikileaks-LogoWikileaks ist eine in letzter Zeit viel diskutierte Plattform, deren Hauptaufgabe darin besteht, Dokumente von Regierungen und Regierungsorganisation, aber auch prominenter Unternehmen öffentlich zugänglich zu machen. Dahinter steht die Idee und der Anspruch, dass das Handeln von Organisationen vollständig transparent zu sein hat. Typische Elemente bisherigen Herrschaftshandelns wie etwa Vertraulichkeit, Geheimhaltung oder auch Zensur und überhaupt die Beschränkung der Zugänglichkeit von Daten und Unterlagen werden durch dieses Portal in praktischer Weise kritisiert. Wikileaks ist eines der wenigen Beispiele dafür, dass immaterielle Arbeit sich explizit und kritisch auf bestehende staatliche und ökonomische Strukturen bezieht und sie mit einem Prinzip der Netzkultur konfrontiert, dem der unbeschränkten Öffentlichkeit.

Fünf. www.couchsurfing.org

Couchsurfing - BuchcoverCouchsurfing ist eine Internet-Plattforum, in der Menschen, die auf Reisen sind und einen privaten Übernachtungsplatz suchen sich ebenso eintragen können wie Menschen, die in ihrer Wohnung bzw. ihrem Haus andere für ein, zwei oder mehr Tage unterbringen können und möchten. In der Regel machen die inzwischen einige Millionen zählenden Nutzer dieses Portals beides. Couchsurfing ist ein Beispiel dafür, wie durch immaterielle Arbeit – etwa das einstellen eines Profils, die Suche nach einer Unterkunft oder oder Bearbeitung von Anfragen – ein Netzwerk entsteht, dass eine soziale Funktion erfüllt. Menschen wollen andere Länder kennen lernen, in dem sie dort bei Menschen in ihrer Lebensumgebung wohnen. Das bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auf das Beherbergungs- und Hotelgewerbe, gleichzeitig wird aber ein weltweites Netzwerk von sozialen Beziehungen und persönlichen Bekanntschaften  ausgebaut. Ein Gegenbeispiel für die These, das Netz fördere die unpersönliche Anonymität.

Sechs. www.mundraub.org

Mundraub.org - Foto von der WebseiteIn die Plattform Mundraub können frei verfügbare Obstbestände eingetragen können. Dieses Verzeichnis ermöglicht allen Nutzern, die in der Karte eingetragenen Standorte – vorzugsweise zum Zeitpunkt der Ernte – aufzusuchen. Damit werden in Vergessenheit geratene Früchte im öffentlichen Raum wieder in die Wahrnehmung zurückgebracht. Diese Plattform ist ein Beispiel für viele Initiativen, die auf der Ebene immaterielle Organisation einen neuen Umgang mit Dingen jenseits des Eigentumsgedankens propagieren. Vergleichbare Aktivitäten sind digitale Tauschbörsen, kostenlose Reparaturanleitungen, Mitfahr- oder Mitwohnzentralen und weiteres mehr. Viele dieser Aktivitäten gab es auch schon vor dem Internet, erhalten aber durch die Verbreitung im Internet eine neue Dynamik.

Sieben. www.yomangoteam.com

Yomango VeranstaltungsplakatEin Beispiel für die Rückwirkung von Prinzipien der kostenfreien Verfügbarkeit in das nichtdigitale Leben ist die Yomango-Bewegung, die 2004 in Barcelona entwickelt und seitdem weitgehend über das Netz verbreitet wurde. Yomango ist nicht nur eine spanische (???) Modemarke, sondern bedeutet übersetzt ins Deutsche: Ich klaue. Jugendliche, die aufgrund prekärer Lebens-, arbeits- und Einkommmensverhältnisse nicht in der Lage sind, sich trendige Mode leisten zu können, propagierten das Prinzip, in die Läden zu gehen und diese Dinge einfach bargeldlos mitzunehmen. Auch aus Tessaloniki wird regelmässig über Aktionen kollektiven Einkaufens berichtet, in denen auf Geldzahlung verzichtet wird. Dies ist nicht einfach Diebstahl, sondern eine Form reflektierter sozialer Aktion, die Fakten schafft und zugleich auf das Problem ungerechtfertigter Profite bei der Produktion von Waren der Grundsicherung aufmerksam macht. Hier werden Prinzipien der Creative Commons, sich kostenlos zu anzueignen, was benötigt wird, auf die reale Warenwelt rückübertragen.

Die hier genannten Beispiele repräsentieren nur eine kleine, eher willkürliche Auswahl aus zahllosen Portalen im Internet, in denen irgend eine Form von (Mit-)Arbeit möglich ist. Eine erste Deutung dieser Auswahl zeigt, dass Aktivitäten, die sich gegen bestehende Institutionen richten bzw. sich kristisch auf diese beziehen (wikiliaks), eher weniger anzutreffen sein könnten. Einen hohen Allgemeinheitsgrad haben Portale wie Google, und die zahlreichen peer to peer Netzwerke ziehen auf den Tausch bzw. auf das Kopieren und Weiterkopieren digitaler Daten wie Text, Bild, Audio oder Filmdateien. Sein eigenes ditales Produkt anderen zur Verfügung zu stellen und damit kopierbar, weiter verarbeitbar zu machen ist das Prinzip der Creative Commons, einem Instrument zur Schaffung von Gemeineigentum. Bemerkenswert aber ist vor allem, dass eine Reihe von Projekte immaterieller Arbeit eine starke Wirkung materielle Realitäten entfalten bz. Intendieren. Couchsurfing ist ein Beispiel für die Herstellung sozialer Netzwerke, die zugleich eine hohe Mobilität erst ermöglichen. Und in Portalen wie Mundraub geht es die Ergänzung und Erweiterung der Befriedung des Grundbedürfnisses nach gesunder, naturnaher Ernährung. In beiden Fällen wird eine Grunddimension menschlicher Bedürfnisse auf eine bereitere, allgemeinere Basis gestellt, verfügbarer gemacht. Die Idee des Gemeineigentums scheint wieder auf.

Acht. www.wirnennenesarbeit.de

Wir nennen es Arbeit - CD CoverHolm FRIEBE und Sascha LOBO beschäftigen sich bereits 2006 in einer Publikation mit den Verschiebungen in den Arbeitswelten durch die durchgreifende Digitalisierung und markieren bereits im Buchtitel ihr Statement, nach dem Motto: Egal, wie ihr es bewertet, wenn wir in temporären Projekten und prekärer Entlohnung mit dem Laptop auf dem Schoß in den Szenekneipen hipper Viertel irgenwas mit Medien machen, aber "wir nennen es Arbeit!". Die Debatte ist seitdem weitergegangen, die die Phänome der immateriellen Arbeit sind keineswegs vollständig theorielos geblieben. Um zu verstehen, welches die Wirkungen immaterieller Arbeit sind, diskutiert Michael SEEMANN den umfassenden Kontrollverlust, den er positiv bewertet, Ulrich BECK thematisiert vielfache Entgrenzungen, Peter KRUSE untersucht die im Netz entstehenden Resonanzen und Christian HELLER interpretiert das mit der Öffentlichkeit einhergehende Ende der Privatsphäre als Chance, und Michel HARDT. Und dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Debatte um die Wirkungen der Netzgesellschaft.

Zusammenfassung

digitales Gesichter-GeschichtZusammenfassend ist festzuhalten: Es ist schwer, zu beurteilen, ob immaterielle Arbeit an und für sich eine Perspektive 'Guter Arbeit' ist. Deutlich wird aber in der Empirie, dass bei den Resultaten der Projekten immaterieller Arbeit eine Wirkungsmächtigkeit zu konstatieren ist, die den bestehende Ökonomien zum Teil erdrutschartig Einbrüche beschert. Und zugleich ist in wichtigen Lebensbereichen erkennbar, dass Prinzipien, die sich im Netz etabliert haben, auch in das reale Leben zurückwirken. Die Erwartung einer freien Verfügung über Daten wird ausgedehnt auf den Anspruch, auch über Naturprodukte und produzierte Waren frei verfügen zu wollen. Die Idee des Gemeineigentums wird erneut aufgegriffen und zunehmend breiter diskutiert. Welche neuen gesellschaftlichen Strukturen sich im Verlauf dieses Prozesses etablieren werden, vermag bislang noch niemand im Entwurf in einer ganzheitlichen Zukunftsprognose verlässlich zu sagen. Ein erster Blick auf das, was in den Prozessen immaterieller Arbeit zum Ausdruck kommt, zeigt, dass sich unsere Lebens- und Gesellschaftswirklichkeit so dramatisch verändern wird, dass unser gegenwärtiger Vorstellungshorizont zur Zeit nicht ausreicht, um dies zu erfassen. Es ist ein Prozess, der ähnlich dramatisch ist wie die gesellschaftlichen Umwälzungen nach der (Wieder-)Entdeckung des Buchdrucks durch Gutenberg in den Jahren nach 1448. Ein neues Zeitalter beginnt. Wir können gespannt sein auf das, was da kommt.

Literatur

  • BUTLER, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt am Main 1991.
  • DIEFENBACH, Katja: Den wirklichen Ausnahmezustand herbeiführen. Wien 2008 (http://translate.eipcp.net)
  • ELSEN, Susanne: Die Ökonomie des Gemeinsesens. Weingarten und München 2007.
  • ENGLER, Wolfgang: Bürger, ohne Arbeit. Für eine radikale Neugestaltung der Gesellschaft. Berlin, 2005.
  • FRIEBE, Holm/ LOBO, Sascha: Wir nennen es Arbeit – die digitale Bohème oder: intelligentes Leben jenseits der Festanstellung. München 2006
  • GANZ, Kathrin: Diverser leben, arbeiten und Widerstand leisten. Berlin 2010. In: in: Arranca! Nr. 41,Winter 09/10, S. 18-21.
  • GORTZ, André: Auswege aus dem Kapitalismus- Zürich 2009
  • FOUCAULT, Michel: Überwachen und Strafen. Frankfurt am Main 1977
  • HARDT, Michael/ NEGRI, Antonio: Empire. Die neue Weltordnung. Frankfurt am Main 2002.
  • HARDT, Michael/ NEGRI, Antonio: Multitude. Krieg und Demokratie im Empire. Frankfurt am Main 2004.
  • HARDT, Michael/ NEGRI, Antonio: Common Wealth. Das Ende des Eigentums. Frankfurt 2010
  • HELLER, Christian: Identitaets-Kriege. Berlin 2010 (http://www.plomlompom.de)
  • HOLLOWAY, John: Kapitalismus aufbrechen. Münster 2010
  • HOLZKAMP, Klaus: Grundlegung der Psychologie. Frankfurt 1983
  • KRUSE, Peter: Revolution 2.0: Wie die sozialen Netzwerke Wirtschaft und Gesellschaft verändern. Petersberg 2010 (http://blog.whatsnext.de/category/praesentationen/)
  • LEONTJEW, Alexej N.: Probleme der Entwicklung des Psychischen. Berlin 1973.
  • MARX, Karl: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. Berlin 1983 (MEW, Bd. 42)
  • MELVILLE, Herman: Bartleby, der Schreiber. Eine Geschichte aus der Wall Street. Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt und mit Erläuterungen versehen von Jürgen Krug. Frankfurt a. M und Leipzig 2004
  • NEGRI, Toni: Die wilde Anomalie. Baruch Spinozas Entwurf einer freien Gesellschaft. Berlin 1982.
  • PAOLI, Guilleaume (Hrsg.): Mehr Zuckerbrot, weniger Peitsche. Aufrufe, Manifeste und Faulheitspapiere der Glücklichen Arbeitslosen. Berlin 2002.
  • PIEPER, Marianne Pieper, ATZERT, Thomas, KARAKAYALI, Serhat, TSIANOS, Vassilis (Herausgeber): Empire und die biopolitische Wende: Die internationale Diskussion im Anschluss an Hardt und Negri. Frankfurt, 2007
  • SAAR, Martin: Politik der Mulititude. Zeitgenössische politisch-philosophische Anschlüsse an Spinoza. In: HINDRICHS, Gunnar: Die Macht der Menge. Über die Aktualität einer Denkfigur Spinozas. Heidelberg 2006
  • SCHNEIDER, Stefan: Multitude. Where the term comes from and what we can do with it. Berlin 2010
  • SEEMANN, Michael: Wir, das Bücherregal und mein mentales Exoskelett. Die Krankenakte von Tut Ench Amun. Frankfurt 2010 (http://www.ctrl-verlust.net/)
  • SPINOZA, Baruch: Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt. Berlin 2006
  • SPITTA, Jutta: Gemeinschaft, Multitude oder das Kommune. Begriffsperspektiven im Spannungsfeld zwischen nationaler Identifikation und kollektiver Aneignung. In grundrisse 10/2010
  • VIRNO, Paolo: Die Grammatik der Multitude. Untersuchungen zu gegenwärtigen Lebensformen. Berlin 2005

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